Eine Webanwendung oder Webapplikation ist ein Computer-Programm, das auf einem Webserver ausgeführt wird, wobei eine Interaktion mit dem Benutzer über einen Webbrowser erfolgen kann. Hierzu sind der Computer des Benutzers (Client) und der des Dienstanbieters (Server) über ein Netzwerk wie das Internet oder über ein Intranet miteinander verbunden, so dass die räumliche Entfernung zwischen Client und Server unerheblich ist.
Geschichte
Für eine Webanwendung ist es notwendig, Benutzereingaben zu empfangen. Die heute hierfür verwendeten HTML-Formulare sind erstmals im Entwurf für HTML+ vom 8. November 1993 enthalten. Aber schon die erste HTML-Version von Tim Berners-Lee bot mit dem „Isindex“-tag eine Möglichkeit, Parameter an den Webserver zu schicken.
Die Parameter wurden dabei an die URL angehängt, der Vorläufer der HTTP-Get-Methode. Das erste größere System, das hiervon Gebrauch machte, war sehr wahrscheinlich ein Web Interface zum „SPIRES-HEP“, einer Datenbank der Stanford-Universität. Dieser Urahn aller heutigen Webanwendungen ging 1991 online.
Der erste Webbrowser, der eine umfangreiche Unterstützung für HTML-Formulare implementierte, war der NCSA Mosaic 2.0 im Dezember 1993; damals der Browser mit der größten Verbreitung. Die erste serverseitige Schnittstelle zum Empfang von Formulardaten war „htbin“.
Diese wurde am 4. November 1993 als Teil der Version 2.13 des W3C-HTTP-Servers veröffentlicht. Bereits am 11. Februar 1994 folgte im Release 2.15 beta die CGI-Schnittstelle, die bis heute im Gebrauch ist. CGI ist von der verwendeten Programmiersprache unabhängig. Für die ersten Webanwendungen wurde C oder Perl verwendet. Perl bot sich wegen der mächtigen Funktionen zur Verarbeitung von Zeichenketten an.
Die erste Webanwendung, die von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, entstand ebenfalls an der Stanford-Universität. Zwei Studenten entwickelten aus ihrer persönlichen Bookmarkverwaltung das Webverzeichnis Yahoo. Als Programmiersprache verwendeten sie Perl.
In den folgenden Jahren gab es Weiterentwicklungen der CGI-Schnittstelle, welche die Performance verbesserten. Im Frühjahr 1997 veröffentlichte Sun Microsystems die Servlet Technologie. Servlets sind Java-Programme, die CGI-Programmen sehr ähnlich sind. Der Hauptunterschied besteht darin, dass ein HTTP-Request nicht in einem eigenen Prozess, sondern lediglich einem eigenen Thread abgearbeitet wird. Dies brachte einen gewaltigen Performancegewinn.
Das Verfahren, Webseiten aus HTML-Code zusammenzusetzen, der fest im Programmcode hinterlegt war, barg jedoch ein großes Problem: Es war umständlich zu programmieren und ermöglichte keine Trennung von Logik und Inhalt. Dieses Problem wurde von mehreren Seiten auf ähnliche Weise gelöst. Der Programmcode für die dynamisch erzeugten Ausgaben wurde in das sonst statische HTML eingebettet. Diesen Ansatz verfolgen die Sprache PHP, die um das Jahr 1997 aus einem Perl basierten Projekt entstand, JavaServer Pages, die auf Servlets basieren, und Active Server Pages (ASP) von Microsoft.
In der Zeit des großen Internet-Booms um die Jahrtausendwende erlebten Webanwendungen einen gewaltigen Schub. Viele der von der Börse gefeierten Firmen der New Economy bauten ihr Geschäftsmodell auf einer Webanwendung auf. Die übertriebenen Erwartungen führten 2001 zum Platzen der sogenannten Dotcom-Blase. In dieser Zeit wurden aber auch Webanwendungen wie z. B. eBay, Yahoo und Google geboren, die heute zu einem selbstverständlichen Teil des Web-Lebens geworden sind.
Funktionsweise
Der Benutzer startet eine Webanwendung, indem er z. B. in einem Browser die URL des Webservers eingibt und damit die erste Anfrage (HTTP-Request) sendet. Der Webserver nimmt diese Anfrage entgegen und übergibt sie an ein Programm. Dieses generiert oder lädt daraufhin den HTML-Quellcode einer Webseite, welche vom Webserver zurück an den Browser des Benutzers geschickt wird (HTTP-Response).
Diese Webseite ist die grafische Benutzeroberfläche der Webanwendung. Webanwendungen setzen nicht zwingend die Benutzung eines Browsers voraus. Anfragen können auch von anderen Programmen durchgeführt werden, die den Response des Webservers verarbeiten, z. B. das Lesen von Informationen wie Börsenkurse oder Sportergebnisse auf einer Website.
Betrachtet man Webanwendungen als Schichtenarchitekturen, so entspricht der Browser der Präsentationsschicht (Thin Client).
Durch das Anklicken eines Hyperlinks auf dieser Webseite oder durch das Ausfüllen und Absenden eines Formulares startet der Benutzer eine erneute Anfrage an den Webserver. Hierbei werden typischerweise weitere Informationen, wie z. B. die in dem Formular getätigten Eingaben (HTTP POST), die Parameter des Links (HTTP GET) und die Daten eines HTTP-Cookie, an den Webserver übermittelt und als Eingabe durch die Webanwendung verarbeitet.
Das Common Gateway Interface definiert die Daten-Schnittstelle zwischen Webserver und Webanwendung. Die Ausgabe der Webanwendung wird vom Webserver als Antwort an den Browser gesendet.
Die Abarbeitung eines solchen HTTP-Requests durch die Webanwendung nennt man auch Request Cycle.
Typischerweise entstehen bei der Benutzung einer Webanwendung Daten, die dauerhaft gespeichert werden müssen, so genannte Sessiondaten (z. B. Bestelldaten eines Webshops). Solche persistenten Daten werden serverseitig durch Datenbankserver oder auch in Dateien gespeichert. Benutzerbezogene Daten können auch clientseitig durch HTTP-Cookies gespeichert werden.
Während eine Webanwendung ursprünglich nur den HTML-Quellcode der Webseiten generiert hat, werden inzwischen auch beliebige andere Elemente, die in einem Browser dargestellt werden können, erzeugt. Dazu gehören vor allem Bilder, PDF-Dokumente oder Flash-Animationen.
Architektur
Eine Webanwendung läuft in der Regel auf dem Webserver, kann aber insbesondere im professionellen Bereich auch auf einen oder mehrere Application-Server ausgelagert sein, welche von einem oder mehreren Webserver mit Benutzer-Anfragen bedient werden. Dabei kann man grundsätzlich zwei Architekturen unterscheiden:
Standalone
Die Webanwendung ist ein eigenständiges Binär-Programm oder ein von einem eigenständigen Binär-Programm interpretiertes Skript, welches für jede Anfrage neu gestartet wird. Man nennt solche Anwendungen meist CGI-Programme.
Integriert
Die Webanwendung ist Teil des Webservers oder ein vom Webserver interpretiertes Skript. Es muss nicht mehr für jeden Request Cycle ein Programm gestartet werden. Beispiele: PHP, Perl, Python (jeweils durch ein Modul des Webservers interpretiert: „mod_php“, „mod_perl“, „mod_python“ ), Java Servlet, JavaServer Pages oder ASP.NET.
Abgrenzung
Rich Internet Application
Eine Rich Internet Application (RIA) setzt per Definition ein höheres Maß an Programmlogik auf dem Client voraus, mit dem beispielsweise Berechnungen anstatt auf dem Server nunmehr auf dem Client durchgeführt werden können. Strenggenommen handelt es sich bei Webanwendungen, die JavaScript (incl. AJAX), Java Applets, Flash-Animationen, ActiveX-Plugins u. ä. einsetzen, auch um RIAs, sofern diese Elemente an der Interaktion mit dem Benutzer beteiligt sind.
Webservice
Mit einem Webservice stellt ein Webserver Informationen in einem strukturierten Format zur Verfügung, das nicht primär zur direkten Anzeige gedacht ist. Die Verwendung von XML genügt alleine nicht zur Abgrenzung gegen eine Webanwendung, da diese seit der Einführung von XHTML auch auf XML zurückgreifen. Bei einem Webservice sind die XML-Daten aber zur Weiterverarbeitung in einem beliebigen Programm auf dem Client gedacht. Hierbei ist selbst die Interaktion mit einem Benutzer keine zwingende Voraussetzung.
Vergleich
Vorteile
Webanwendungen setzen auf dem Computer des Benutzers nur einen Webbrowser voraus, welcher auf den meisten Systemen schon vorhanden ist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Client-Server-Anwendungen ist also keine weitere Installation von Software auf den Computern der Benutzer notwendig, wenn man von Browser-Plugins wie Flash absieht. Dadurch erreichen Webanwendungen einen hohen Grad an Plattformunabhängigkeit, sofern bei der Entwicklung darauf geachtet wurde, dass alle Browser unterstützt werden.
Muss die Logik einer Webanwendung geändert werden, sind Änderungen nur an einer (zentralen) Stelle, nämlich auf dem Webserver, notwendig, was sich günstig auf die Wartungskosten auswirkt.
Durch die immer weiter gehende Verbreitung von Browsern auf andere Endgeräte, wie Mobiltelefone oder PDAs, finden Webanwendungen schnell eine Verbreitung jenseits der klassischen Softwareumgebungen.
Nachteile
Für die Nutzung einer Webanwendung wird eine Verbindung zum Webserver benötigt. Die Datenrate der Verbindung muss außerdem auf die Anforderungen der Webanwendung ausgelegt sein. Dieser Umstand schließt Webanwendungen für eine Reihe von Einsatzszenarien, wie z. B. die mobile Offline-Benutzung, per Definition aus. Webanwendung identifizieren angemeldete Benutzer per Session-ID. Daraus können sich Sicherheitsprobleme ergeben (siehe unten).
Webanwendungen sollten im Idealfall mit allen Webbrowsern richtig funktionieren, was nicht selbstverständlich ist, da die Browser HTML, trotz bestehender Standards (W3C), unterschiedlich interpretieren. Die leichte Abweichung in der Darstellung zwischen verschiedenen Browsern ist meist unerheblich, verheerender sind Unterschiede in der JavaScript-Interpretation, weshalb häufig Browserweichen verwendet werden müssen, teilweise sogar für unterschiedliche Browser-Versionen. Außerdem ist durch den oben dargestellten Request-Cycle nur eine asynchrone Verarbeitung möglich, was eine Reihe von Anwendungsgebieten (z. B. die Bearbeitung von Videos) als Webanwendung ausschließt oder deutlich erschwert.
Quelle: Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Webanwendung)